Der Stadtentwicklungsdezernent Andree Haack spricht im Interview über Baustellen, Strukturwandel und Chancen durch die Via Culturalis
Kölns Dezernent für Stadtentwicklung„Es braucht auch ein bisschen Unordnung in der Innenstadt“

Vom Domumfeld zu St. Maria im Kapitol auf der „Via Culturalis“: Köln nimmt eine rasante städtebauliche Entwicklung. Nicht immer ganz problemlos, wie Andree Haack einräumt. Dennoch sieht er große Chancen in der Umgestaltung der Innenstadt.
Copyright: Thomas Banneyer
Köln ist im Wandel. Wer durch die Stadt läuft, hat den Eindruck, rechts und links sind nur noch Baustellen. Gehört das zum Wandel mit dazu?
Wenn man Umbau sagt, dann meint man Bau. Es wird gebaut, und das wird auch in der nächsten Zeit so bleiben. Aber es ist ein positives Zeichen, weil die Innenstadt sich modernisiert. Es ist wie eine Frischzellenkur, die hier gerade wirkt. Und die ist auch mit Baustellen verbunden.
Warum alles auf einmal?
Bei einer Stadt im Wandlungsprozess gibt es immer Schübe. Das ist wie bei einem Kind, das wächst. Der momentane Schub wurde ausgelöst durch einen Strukturwandel im Einzelhandel. Der Handel steckt in einem tiefen Umbruch, nicht nur in Köln. Viele Städte verändern sich von einer monofunktionalen Innenstadt, die stark auf den Handel ausgerichtet war, hin zu einer multifunktionalen City.
Wie nachhaltig ist so eine Entwicklung? Haben wir jetzt einen Schub und sehen in zehn Jahren die nächsten?
Eine Stadt verändert sich immer. Insofern wird so ein ständiger Wandel auch in der Stadt sichtbar sein. Aber die großen Themen wie MiQua, Via Culturalis und Domumfeld sind auch irgendwann abgearbeitet, und es wird sich nicht mehr so ballen, wie das zurzeit der Fall ist.
An der Via Culturalis sind mit der Freitreppe an Sankt Maria im Kapitol und der Gürzenichstraße die ersten Prozesse abgeschlossen. Wie viel Raum kommt der Öffentlichkeit wirklich zugute?
Es sind Bauten rund um das Thema Kultur. Und Kultur hat immer einen öffentlichen Nutzen. Im Rahmen dieser Umbaumaßnahmen sind aber auch schöne, kleinere Plätze entstanden. Es entstehen neue Angebote, aber auch neue öffentliche Räume mit einer ganz besonderen Qualität, die die Stadt nachhaltig aufwerten.
Wäre es falsch, wenn man das ein wenig als Aufräumen bezeichnet?

Andree Haack
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Aufräumen hört sich für einen Stadtplaner in diesem Zusammenhang etwas seltsam an. Die Innenstadt ist vielmehr ein wildes Mosaik, und vielleicht schaffen wir es, ein bisschen mehr Ordnung in dieses Mosaik zu bringen. Aber letztendlich haben wir so viele Akteure hier vor Ort mit so vielen unterschiedlichen Interessen, dass es als Stadt ganz schwierig ist, da eine sterile Ordnung hereinzubringen. Ich glaube, es braucht auch ein bisschen Unordnung in der Innenstadt, weil es eben auch diese Lebendigkeit ausdrückt.
Flächenkonkurrenz kann ja auch belebend sein. Laufen die Gespräche mit Investoren immer nur positiv oder gibt es auch Vorbehalte, etwa was die Via Culturalis angeht?
Die Via Culturalis hat lange gedauert, aber jeder, der mit offenen Augen durch die Stadt geht, erkennt, dass es jetzt wirklich vorangeht. Was lange angekündigt wurde, kann man nun auch so langsam greifen und daher motiviert es eher. Und eine Entwicklung, die ich heute anstoße, ist ja nicht morgen direkt eine Baustelle. Insofern setzt sich das jetzt weiter fort, und es ist eigentlich eher investitionsfördernd und wird positiv von den Entwicklern gewertet.
Die eigentliche Kölner Innenstadt ist im Vergleich mit anderen Großstädten wie Hamburg oder München sehr kleinteilig. Macht es das schwieriger, ein zusammenhängendes System zu entwerfen?
Jede Projektentwicklung in der Kölner Innenstadt ist extrem kompliziert. Hier ist sehr vieles eng gedrängt auf kleinem Raum, alles hängt miteinander zusammen. Wenn Sie in diesem engen Geflecht etwas Neues realisieren wollen, haben Sie unglaublich viele Probleme zu lösen. Das macht es schon schwieriger als in anderen Städten. Um beim Bild eines Mosaiks zu bleiben: Dort können Sie auch nicht einfach beliebig die Farben wechseln. Wir brauchen eine übergeordnete, stabile Strategie. Und die haben wir.
Die bekannteste Innenstadt-Achse ist die vom Dom zum Neumarkt. Können wir mit dem Neumarkt wirklich so lange warten, bis die ersten Bagger für die Ost-West-Achse anrollen?
Es hat ja schon bauliche Veränderungen gegeben, wofür sich übrigens die Oberbürgermeisterin Henriette Reker sehr eingesetzt hat. Aber es war wichtig, dass es eine Grundsatzentscheidung gibt, wie mit dem Verkehr langfristig umgegangen werden soll. Jetzt haben wir hoffentlich eine endgültige Entscheidung, und vor diesem Hintergrund wird man sich natürlich darüber Gedanken machen, wie man mit dem Platz umgeht, neben den Maßnahmen, die bereits umgesetzt wurden. Insofern nein, man sollte nicht warten, bis die Stadtbahn gebaut wird. Aber bisher hatte man eben auch keine klaren Planungsprämissen.
Wird es künftig mehr gastronomische Flächen und weniger Einzelhandelsflächen geben?
Wir haben ja schon heute starke gastronomische Schwerpunkte in der Innenstadt, und die werden bleiben. Ich glaube auch, dass an der einen oder anderen Stelle noch etwas hinzukommen wird. Aber nicht im Übermaß. Es muss auch ruhige Orte in der Innenstadt geben. Abgesehen davon ist es auch schwierig, etwa auf der Hohe Straße eine Außengastronomie zu etablieren. Dafür ist es dort viel zu eng.
In Köln ist der Verkehr ein Dauerthema. Gibt es einen Plan, wie man mehr öffentlichen Raum zur Verfügung stellen will, oder konzentrieren Sie sich zunächst auf die Bauprojekte und schauen hinterher, wie man das verkehrlich neu ordnen könnte?
Auf der einen Seite beschäftigen wir uns sehr intensiv damit, wie wir die Baustellenlogistik organisieren. Da kann es auch dazu kommen, dass wir Straßen für den Durchgangsverkehr sperren müssen. Aber die Parkhäuser und die großen Parkflächen in der Innenstadt müssen weiter anfahrbar bleiben.
Auf der anderen Seite gehen wir der Frage nach, wie die verkehrliche Erschließung der Zukunft aussieht. Da gibt es sehr unterschiedliche Anforderungen. Menschen, die sich mehr Raum für Fußgänger wünschen oder für den Radverkehr. Gleichzeitig plädieren andere für eine bessere PKW-Erreichbarkeit. Wir müssen auf alles eingehen. Eine Innenstadt muss erreichbar sein für Menschen aus dem Umland, nicht nur mit dem Öffentlichen Nahverkehr. Da werden auch große Parkhäuser in der Innenstadt eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite hat das Beispiel Ehrenstraße gezeigt, wie man ohne Autoverkehr eine ganz andere Wertigkeit erzeugt.
Wie wichtig ist eine Erweiterung der Hohenzollernbrücke für Fußgänger und Radfahrer insbesondere im Hinblick auf die neuen Wohnquartiere im Rechtsrheinischen?
Die Erweiterung der Hohenzollernbrücke ist natürlich wichtig, auch, um den Ausbau des ÖPNV-Knotens Köln zu verbessern. Die Brücken sehe ich aber weniger im Zusammenhang mit der Innenstadtentwicklung, weil sie letztendlich den inneren Ring komplettieren. Es liegt städteplanerisch auf der Hand, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Aber wann das genau kommt, können wir noch nicht sagen.
Gibt es Best-Practice-Beispiele aus anderen Städten, an denen Sie sich orientieren? Bei denen man sagt, das finde ich gut gelöst, das machen wir auch hier?
Überall wird über multifunktionale Innenstädte diskutiert. Aber jede Stadt muss ihren eigenen Weg finden. Gerade Köln ist sehr individuell mit dem Dom und dem Hauptbahnhof im Herzen der Stadt. Mit einer eng bebauten Innenstadt und römischer Geschichte dahinter, auch wenn diese durch den Zweiten Weltkrieg mit einer 50er Jahre Architektur etwas übertüncht wurde. Nicht jeder hat den Rhein mit seinen Flusskreuzfahrten, eine starke Kulturgeschichte, starke Handelslagen. Das ist eine Mischung, die sehr nachhaltig ist und von der die Stadt noch lange profitieren wird.